[Surftipp] Wunderland Deutsch

27. Februar 2009

Es gibt auf der Welt ja auch noch andere Blogs – und eines davon will ich heute empfehlen: Wunderland Deutsch von Barbara Bauer. Eine sehr schön gemachte Seite, auf der es um die deutsche Sprache geht. Die Beiträge sind meistens kurz, sehr übersichtlich und sehr gut zu lesen. Ich bin Anfang des Jahres drübergestolpert und habe ein bißchen herumgestöbert.

wunderland

Aus dem ersten Beitrag, darüber, was das Blog nicht will:

Zum anderen sind derzeit Strömungen zu bemerken, deren Zugang zur Sprache sich dadurch definiert, Fehler jeglicher Art anzuprangern, sich darüber lustig zu machen und sich dadurch selbst zu profilieren. Beispiele sind etwa die Zwiebelfischkolumnen von Bastian Sick, Langenscheidts „Übelsetzungen“ und diverse Internetseiten, die sich über „Deppenapostrophe“, „Deppenleerzeichen“ usw. lustig machen. Nicht zu vergessen sind die ewigen Jammereien wegen des angeblichen Verfalls der deutschen Sprache, die gleichfalls hierher gehören.“

Ja! Ja! Ja! An mein Herz!

Zum Einstieg empfehle ich:

  • Tempusse, Visas und Abstraktums (Zur Pluralbildung bei Fremdwörtern – dazu kommt von mir auch mal noch was. Angenehm ideologiefrei.)
  • Monatsnamen (Ein Auftaktbeitrag für 12 Posts zu den Monatsbezeichnungen – einfach unten auf „Monate“ klicken, um die Einzelbeiträge zu finden. Es gibt sehr viel Etymologie auf der Seite.)
  • Die Reform von 1901 (Exemplarisch für die vielen Beiträge zu historischen Ereignissen und wichtigen Personen in der Geschichte der deutschen Sprache und Sprachwissenschaft.)
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27. Februar 2009

Der digitale Wenker-Atlas (DiWA) ist ein Projekt, das den (über hundert Jahre alten) „Sprachatlas des deutschen Reichs“ digitalisiert und im Internet zugänglich macht. Die Daten des Sprachatlas‘ wurden mit den sogenannten Wenkersätzen erhoben.

Gestern habe ich mich bei der URL vertippt …

www.diwa.info


That’s Greek to me!

26. Februar 2009

Heute ein Verweis auf das Language Log – und zwar genauer auf diesen Eintrag mit einem Diagramm (gefunden via StrangeMaps), das zeigt, welche Sprachen in welchen Sprachen als prototypisch unverständlich betrachtet werden. Als Quelle dient ein entsprechender Wikipedia-Eintrag.

Es geht also darum, dass man sagt „Das klingt X für mich“, wobei X irgendeine als unverständlich empfundene Sprache ist, und damit ausdrückt, dass man etwas nicht versteht. Im Englischen ist es z.B. That’s Greek to me!

Das sieht alles sehr spannend aus, allerdings fürchte ich, dass die einzelnen Einträge noch einmal überprüft werden müssten. Für Deutsch ist z.B. Spanisch eingetragen, wegen Das kommt mir Spanisch vor – aber Das kommt mir Spanisch vor hat eigentlich nicht die Bedeutung ‚Ich verstehe das nicht‘, sondern ‚Das ist mit suspekt, das kommt mir komisch vor‘. (Ärgerlicherweise kommt das auch in der deutschen Wikipedia nicht richtig raus.)

Strange Maps hat zum Deutschen noch Kauderwelsch anzubieten und spekuliert, es bezeichnete vielleicht Rätoromanisch. Das ist gar nicht so abwegig, Kluge kennt die Theorie auch – Welsch ist ja ein altes Wort für romanische Sprachen. Im Deutschen wurde es eher abwertend gebraucht, in der Schweiz wohl neutral. Trotzdem ist es kein besonders gutes Beispiel für die Sprachensammlung, denn erstens stellt man heute keinen Bezug zu einer bestimmten Sprache mehr her, und zweitens hat es die zusätzliche Bedeutung ‚Ich verstehe es nicht weil es schlecht formuliert/ausgesprochen/… ist‚. Entsprechend findet es sich auch meist in abwertenden Kontexten wie So ein Kauderwelsch! (Eine positive Verwendung ist z.B. bei der Reihe Kauderwelsch gelungen.)

Die gängigste Wendung bei uns ist völlig ohne Bezug zu Fremdsprachen – Ich versteh nur Bahnhof. Die deutsche Sprache scheint im Gegenzug auch von keiner anderen Sprache als besonders unverständlich wahrgenommen zu werden …

In der Gesamtsicht scheinen Griechisch und Chinesisch sehr beliebt zu sein. (Fachchinesisch gibt’s bei uns ja auch. Und Angler-, Jäger-, …latein.) Interessant, dass es beides Sprachen mit anderen Schriftsystemen sind.


Von der sluntrœr und der äffinn

26. Februar 2009

Heute will ich ein ganz altes Buch vorstellen: Das Buch der Natur. Konrad von Megenberg beantwortet alle Fragen, die die Menschen im Mittelalter quälten, häufig mithilfe zuverlässiger Autoritäten wie Plinius oder Aristoteles. Darunter zum Beispiel:

Wie sieht es bei Tieren mit der Vermehrung aus?

  • diu kränchinn stêt, wenne si der kranch vogelt.
  • diu äffinn hât ain ding sam ain weip und der aff ainz sam ain hunt.
  • die störch tœtent iriu weip, diu êbrecherinn sint und sich niht gereinget habent in den wazzern nâch irr pôshait.

Warum bekommt man graue Haare?

daz hâr grâwet von der kelten des hirns, wenne diu nâtürleich hitz sô krank wirt, daz si des hirns kelten nicht mag gesenftigen, ez sei von alter oder von sorgen oder von unfuor.

Und warum werden Männer kahl, Frauen aber nicht?

dar umb auch werdent die haizen man kal wenne si unkäusch pflegent, aber die frawen kalwent niht, dâ von daz si kelterr nâtûr sint wan die man.

Wozu braucht man Augenbrauen?

Die augenprâwe sint den augen nôtdürftig, dar umb, wenn daz tier slâf, daz kain auzwendigz dinch in daz aug valle.

Was ist ein Echo?

Die stimm sint zwaierlai: aineu ist hinlaufend, diu ander herwiderlaufend. diu hinlaufend ist die von dem gestimten tier gêt hindan; diu widerlaufend die haizet ze latein echo, und geschiht wenn der gestimt luft sich widerstôzt an paumen oder an häusern, die in ainem tal derhœht sint und sô gelegen sint, daz si den gestimten luft ze samen haltent, daz er under der stimm form belei\ben muoz.

Wozu ist eine Speiseröhre gut?

Diu sluntrœr haizt ze latein ysophagus oder mery und ligt hinden gegen dem hals. die rœrn haizt Aristo\tiles des magen munt, dar umb, daz si rüert unz an der zungen ursprunch und nimt daz ezzen und daz trinken und tregt ez in den magen, daz ez diu nâtûr kocht und beraitt, daz ez nütz allen gelidern.

Und wie war das mit der ausgleichenden Gerechtigkeit?

ez gêt auch daz kindel in die werlt des êrsten mit dem haupt. aber ez gêt wider auz der werlt des êrsten mit den füezen, wan man kêrt im die füez für, sô man ez ze grab tregt.

Das Buch ist ein wahrer Schatz, und ich habe den Eindruck, dass man auch ein bißchen was davon verstehen kann, wenn man keine Ahnung von Mittelhochdeutsch hat.

Ein paar Hinweise zur Schreibung:

  • <p> ist oft das heutige <b> – pôshait ‚Bosheit‘, prâwe ‚Braue‘, paumen ‚Bäumen‘
  • <z> kann für heutiges <s> stehen – daz ‚dass‘, muoz ‚muss‘, füezen ‚Füßen‘, ezzen ‚essen‘
  • <e> kann für unser heutiges <ä> stehen – tregt ‚trägt‘
  • <v> steht oft für heutiges <f> – valle ‚falle‘
  • Der Zirkumflex zeigt an, dass ein Vokal lang ist.

Oh, und noch ein Disclaimer, nicht dass ich mich Verstorbenen gegenüber politisch inkorrekt verhalte: Ich weiß, dass Konrad das nicht komisch gemeint hat und ernstzunehmendes Wissen zusammengetragen hat. Die verflossenen Jahrhunderte haben allerdings einen gewissen Lustigkeitsfaktor ins Spiel gebracht.


AschRmittwoch

25. Februar 2009

Aschermittwoch kommt von der Asche, die man auf’s Haupt streut, soweit, so transparent. Warum aber Aschermittwoch? Warum nicht Aschenmittwoch oder Aschemittwoch?

Synchron betrachtet, d.h. wenn man nur das heutige Deutsch anschaut, ist es nicht weiter verwunderlich. Ein Verfahren der Wortbildung ist es, zwei Wörter zu einem neuen zusammenzusetzen. Das nennt man „Komposition“. Häufig steckt aber zwischen diesen beiden Wörtern noch etwas – das Fugenelement. Laut Grammatik-Duden kommt es bei 30% der deutschen Wörter vor (allerdings scheint es mir fraglich, wie man die Zahl der deutschen Wörter messen will, da Komposition ja produktiv ist). Fugenelemente nennt man all diese Heizungskeller, Rinderställe, Lampenschirme und Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsmützen.

Vielen von ihnen sieht man ihre Herkunft noch an – sie sehen alten Genitivformen ähnlich, wie zum Beispiel des Teufels Kerl > Teufelskerl. Die Uminterpretation als Erstglied des Kompositums nennt man „Reanalyse“. Heute hat das Fugenelement keine grammatische Funktion mehr.

Allerdings kommen die Fugenelemente bei weitem nicht alle von alten Genitiven – bei Heizungskeller sieht man es ganz gut, der Genitiv würde der Heizung heißen, im Plural Heizungen. Kein s weit und breit. Es muss nach dem Vorbild anderer Wörter, die ein Genitiv-s hatten, in den Heizungskeller eingewandert sein. (Das nennt man „Analogie“.)

Bei Lampenschirm ist es mehr eine Sinnfrage. Zwar heißt es der Lampen, aber ist ein Schirm wirklich für mehrere Lampen da? Doch wohl kaum? Warum hätte es jemand mit dem Plural bilden sollen?

Warum wird also nur der Aschermittwoch dem Vorwurf ausgesetzt, dass er sich zu Unrecht mit seinem r schmückt, wenn doch sehr viele Komposita zu fremdem Material greifen?

Weil er eine alte Form ist. Der Aschermittwoch hatte sein r schon immer. Wie kann das sein, wenn es der Asche, Aschen heißt? Kluge erklärt: Es ist eine regionale Pluralform. Ein Blick ins mittelhochdeutsche Wörterbuch macht nicht viel schlauer – außer dass Asche damals zwar meist feminin war, aber auch maskulin sein konnte. Ich habe mich auf die Suche gemacht und ins rheinische, pfälzische, elsässische, elsässisch-lothringische und luxemburgische Wörterbuch geschaut – nichts, immer mit n. Der digitale Wenker-Atlas hat auch nicht geholfen, da steht keine Asche drin. Schweren Herzens gebe ich also auf … zumindest vorerst.

Grimms Wörterbuch kennt mit r übrigens auch Ascherbrödel, ascherfarbig, Ascherkleid und Ascherkuchen.

Im rheinischen Wörterbuch von gestern finden sich neben der hochdeutschen Form Aschermittwoch auch r-lose Formen: Öschemeppeg und Äischemettwouch.