Patrick hat im Mai bemerkt, dass ich <gegooglet> schreibe statt <gegoogelt>:
Mir ist auch aufgefallen, dass Du „gegooglet“ schreibst, obwohl Präskriptivisten „googel-“ als Stamm vorschreiben (vgl. hier). Wäre mal interessant rauszufinden wie oft dieser „Fehler“ so im Schnitt passiert.
Ich habe natürlich einen Grund für meine Schreibung, und zwar die Tatsache, dass Google drinsteckt. Da das Verb eine Ableitung des Eigennamens ist, erscheint es mir höchst gewagt, diesen Eigennamen schriftlich zu entstellen, in googel. Genau das tun aber Wörterbücher wie der Duden. Und haben dafür zugegebenermaßen auch einen guten Grund: Es gibt eine ganze Menge deutscher Verben auf –eln, in die sich googeln ausgezeichnet einfügt:
- handeln, ich handle – gehandelt
- lächeln, ich lächle – gelächelt
- googeln, ich google – gegoogelt
Die 1. Person Singular spielt hier eine wichtige Rolle: Statt ich handele, lächele kann es auch ich handle, lächle heißen. Den Ausfall des e im Wortinneren bezeichnet man als “Synkope”. Dadurch entsteht eine Form auf –le, die dem Ende von Goog–le gleicht. Das bietet eine Art Anknüpfungspunkt für das neue Verb: In der 1. Person Singular kann es unverändert bleiben, in den anderen fügt es sich in die Reihe der anderen l-Verben ein. (Diesen Vorgang nennt man “Analogie”.)
Dass die 1. Person Singular in den deutschen Verben aus der Reihe tanzt (ich handle, du handelst, er handelt; wir/sie handeln, ihr handelt) ist zwei verschiedenen Tilgungsprozessen geschuldet. Das e in handle ist nämlich nicht dasselbe wie in handeln: Bei handeln gehört es zum Wortstamm, bei handle ist es die Flexionsendung.
Vor langer, langer Zeit (im Mittelhochdeutschen, 1050-1350) hatten einmal sowohl Stamm als auch Endung immer ein e:
Stamm | Endung | |
Infinitiv | handel | en |
ich | handel | e |
du | handel | est |
er/sie/es | handel | et |
wir | handel | en |
ir | handel | et |
sie | handel | en |
Dann wurde das Endungs-e synkopiert, und zwar
- bei allen Verben in der 2./3. Sg. und der 2. Pl. (du machest > du machst)
- bei Verben, deren Stamm auf –er oder –el endet im Infinitiv und der 1./3. Pl. (sie handelen > sie handeln).
Es bleibt also nur die 1. Person Singular be-e-t:
Stamm | Endung | |
Infinitiv | handel | n |
ich | handel | e |
du | handel | st |
er/sie/es | handel | t |
wir | handel | n |
ihr | handel | t |
sie | handel | n |
Nun gibt es aber noch eine zweite e-Tilgung. Diesmal ist sie freiwillig und betrifft das e im Stamm. Bei Verben, die auf –el enden, kann es in der 1. Person Singular getilgt werden, also ich handele oder ich handle. Ersteres sieht man aber m.E. wirklich nur noch in schriftlicher Form:
Stamm | Endung | |
Infinitiv | handel | n |
ich | hand(e)l | e |
du | handel | st |
er/sie/es | handel | t |
wir | handel | n |
ihr | handel | t |
sie | handel | n |
Daraus resultierend ist das vorher dreisilbige Wort in allen Präsensformen zweisilbig geworden: han-deln, han-dle, … Dadurch wird das Wort ohne Informationsverlust kürzer und bekommt das trochäische Betonungsmuster (betonte Silbe – unbetonte Silbe), das generell im Deutschen sehr beliebt ist.
Die gesprochene Sprache ist vielerorts noch viel weiter und hat mittlerweile alle e-Laute eliminiert: ich handl, du handlst, er handlt, wir/sie handln, ihr handlt. Deshalb ist die Debatte darüber, ob man <googlen> oder <googeln> schreibt für das gesprochene Deutsch auch ziemlich irrelevant – gesprochen heißt es einfach gugln.
Ich habe mal gegooglet (“Seiten auf Deutsch”), und zwar den Infinitiv (goog[el/le]n) und das Partizip (gegoog[el/le]t):
- –le: 726 000 (gesamt) – Infinitiv: 644.000, Partizip: 82.000
- –el: 964 000 (gesamt) – Infinitiv: 543.000, Partizip: 421.000
Insgesamt hat also die Dudenlösung die Nase vorn, allerdings gibt es große Unterschiede zwischen Infinitiv (googlen dominiert leicht) und Partizip (gegoogelt dominiert extrem). Google selbst scheint das Wort übrigens nicht zu gebrauchen.