Der neue Duden und die ***maut

9. Juli 2009

Die 25. Duden-Auflage steht ins Haus – ob ich mir mal wieder einen kaufe? Mein aktuellster ist von 1996 (21. Auflage) und hat als Reform-vor-der-Reform-Werk einen gewissen historischen Wert.

In einer Pressemitteilung kann man schon mal gucken, welche Wörter es diesmal geschafft haben: hier. Einige verwundern mich etwas, die hätte ich schon längst drin vermutet: Buschfunk, Fernbeziehung, Rettungsschirm, Stockbrot und Vogelschlag.

Was ich total widerlich finde ist Campusmaut. Ich stehe Sprache sehr, sehr selten wertend gegenüber und finde alles furchtbar spannend und interessant, aber Campusmaut ist für mich der Horror. Ich weiß nicht, wer sich’s ausgedacht hat (angeblich Studierende?), für mich ist es auf jeden Fall ein typisches Spiegel-online-Wort. Ja, ich lese da. Ja, es hat masochistische Ausmaße.

Ich habe sogar mal einen Beitrag über Spiegel-online-Deutsch angefangen, bin aber über Campusmaut und bimsen (*arrrg* Der Horror!) nicht hinausgekommen. Spiegel online hat ja die Unterrubrik UniSPIEGEL. Sie kennt das Wort Studiengebühren quasi gar nicht. Wenn das mal versehentlich einer schreibt, scheint es vor Veröffentlichung des Artikels mit Suchen-Ersetzen in Campusmaut umgewandelt zu werden. Die Wortbildung war am Anfang mal originell – aber als permanentes Synonym? Die Luft ist raus und die Bezeichnung klingt einfach nur noch total verkrampft.

Eine willkürliche Auswahl:

  • Studiengebühren-Umfrage: Campusmaut verhasster denn je (25.06.2009)
  • Als die von ihnen beantragte Senkung der Campusmaut im Senat abgeschmettert wurde, fühlten sich die Studentenvertreter vollends veräppelt. (05.06.2009)
  • Urteil zur Campusmaut: Eltern müssen Studiengebühren zahlen (29.05.2009)
  • Sie forderten die komplette Abschaffung der Campusmaut – doch Studenten, die Grünen und die SPD sind mit ihrer Klage am bayerischen Verfassungsgericht gescheitert. (28.5.2009)

Für den Zeitraum vom 24.01.2005 bis 09.07.2009 gibt die spiegeleigene Suche 159 Treffer aus. Der 24. Januar 2005 scheint die Erstnennung zu sein, damals noch als Campus-Maut, frühere Belege findet die Suche nicht:

Längst bereiten sich Wissenschaftsminister, Unis und Kreditgeber auf die Campus-Maut vor, derweil planen die Studenten den Protest. (24.01.2005)

So, jetzt habe ich meinem Abscheu Worte verliehen, jetzt ist wieder gut. Ich habe ja nur sehr wenig gegen das Wort an für sich, es zeigt eine Menge Kreativität und schafft es auch noch festzuhalten, dass Studiengebühren und LKW-Maut zu einem ähnlichen Zeitpunkt große Themen in den Medien waren – aber die penetrante Benutzung tut ihm einfach nicht gut.

05.06.2009
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Japanische Schrift 2: Malen die Japaner gerne?

9. Juli 2009

(Teil 1 | Teil 2)

Heute geht es nach Alphabet-, Silben- und Morenschriften um einen weiteren Typ Schriftsystem: den logografischen.

Bei logografischen Schriftsystemen besteht ein Bezug zwischen dem Bezeichneten und dem Schriftzeichen, aber keiner (bzw. kaum einer) zur Lautgestalt des Wortes. Die japanischen Kanji stellen ein solches System dar. Hier seht ihr das Kanji für Geld:

2009-07-07-kanji

Logografische Zeichen können unterschiedlichen Bildungsprinzipien folgen. Was man direkt erwartet sind Piktogramme, also Bildzeichen: Das Bezeichnete wird direkt abgebildet. Das ist zum Beispiel der Fall beim Zeichen für ‘Pferd’, 馬. Sieht nicht aus wie ein Pferd? Die Zeichen sind natürlich zwischenzeitlich vereinfacht worden. Die Entwicklung kann man sich so vorstellen (nach Foljanty 1984:32):

2009-07-07-Kanjipferd

Dann gibt es Ideogramme, also Sinnzeichen. Sie bestehen aus mehreren Piktogrammen und erhalten durch die Kombination eine neue Bedeutung. So ergibt zum Beispiel ‘Mensch’ 人 und ‘Lanze’ 戈 zusammen die neue Bedeutung ‘angreifen’ 伐. Damit lassen sich auch abstraktere Inhalte darstellen.

Auch Symbolzeichen wie 一 ‘1’, 二 ‘2’, 三 ‘3’ zählen dazu.

Und schließlich sind da noch die Phonogramme, also Lautzeichen. Sie sind ebenfalls aus (mindestens) zwei Kanji zusammengesetzt – dabei liefert eines von ihnen ein wenig Information zur Bedeutung und das andere zur Aussprache. Hier ein Beispiel (nach Foljanty 1985:47):

Das Zeichen für ‚Berg‘ ist 山. Das Zeichen für ‚Kap‘ ist 崎. Es besteht

  1. aus dem Berg-Kanji (links), das für den Bedeutungsteil zuständig ist, also zeigt, dass das neue Wort auch etwas mit Bergen zu tun hat (Wikipedia: “Kap bezeichnet eine auffällige oder scharfe Landspitze, die besonders an Gebirgsküsten gut ausgeprägt sein kann”), und
  2. aus dem Kanji 奇 ‘seltsam, Neugierde’, dessen Bedeutung für das neue Wort völlig irrelevant ist. Wichtig ist aber, wie 奇 ausgesprochen wird, und zwar ki. Das Wort 崎 beinhaltet diese Silbe nämlich, es wird misaki gesprochen. Diesen Kanjibestandteil nennt man Phonetikum, weil er einen Hinweis zur Aussprache gibt.

Die Phonogramme erscheinen oft wie Hexerei ;)

Da die Aussprache nicht an das Schriftzeichen gebunden ist, ist im Japanischen etwas sehr Verrücktes möglich: Ein und dasselbe Schriftzeichen kann auf verschiedene Arten ausgesprochen werden. Das nennt man Lesungen. Die meisten Zeichen haben mindestens zwei Lesungen, und je nach Wort wählt man die eine oder die andere. Da gibt’s grobe Regeln, aber die erspare ich Euch heute lieber.

Es gibt also im Japanischen drei Schriftsysteme: Zwei Morenschriften und eine logografische Schrift. Die Aufgaben sind klar getrennt, sodass die Wahl des Schriftsystems schon Informationen über den Inhalt vermittelt: Bei Kanji rechnet man mit Wortstämmen, bei Hiragana mit grammatischen Informationen und bei Katakana mit Fremdwörtern oder Werbung.