[Anglizismus des Jahres] Greift -gate um sich?

25. Januar 2012

Unter den Vorschlägen für den Anglizismus des Jahres 2011 gab es auch ein Wortteil von nicht so recht bestimmbarem Charakter, nämlich –gate. Das will ich mir heute genauer anschauen – parallel zu suz, die zeitgleich mit mir ihre Beobachtungen zum Thema postet.

Vorgeschlagen wurde es von Patrick Schulz, der letztes Jahr den Gewinner leaken nominiert hat, und zwar mit der folgenden Begründung:

Ich schlage dieses Jahr das Skandalisierungssufffix -gate zum AdJ vor. Es wird dazu benutzt, die semantische Denotation seines Kopfes (Also die Bedeutung dessen, an das es sich ranhängt) zu einem Skandal von nationaler Tragweite zu erklären oder auch zu verklären. Diese mitunter ironisierende Nebenbedeutung hebt es m.E. von bestehenden Äquivalenten ab.

Ganz aktuelle Beispiele sind u.a. padgate, Guttengate oder Jenagate.

Es geht dabei weniger darum, irgendwelche kurzlebigen Wörter, die auf -gate enden, für den AdJ2011 vorzuschlagen, sondern dieses gebundene und sie verbindende Morphem, welches an beliebige Kopflexeme angehängt werden darf um eine sozial- und/oder medienkritische Botschaft zu vermitteln. Es ist dabei im höchsten Maße produktiv, wie die eben erwähnten Beispiele zeigen. Noch dazu geht es mit einigen interessanten phonologischen Prozessen einher, so heist es etwa Guttengate, nicht aber *Guttenberggate o.ä..

Ich will in diesem Beitrag überprüfen, ob –gate wirklich so häufig neue Wortbildungen eingeht und falls ja, wozu sie dienen. Patrick vermutet ja einen ironischen Unterton, was ich nicht ganz von der Hand weisen will. Ob der aber nur durch den Äußerungskontext entsteht, oder wirklich schon dem Element anhaftet, bleibt zu klären. Den Rest des Beitrags lesen »

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Etymologiequiz

11. April 2011

Im folgenden Wordle habe ich sprachliche Verwandte durcheinandergeworfen – immer zwei Wörter besitzen eine gemeinsame Wurzel. Welche gehören euerer Meinung nach zusammen?


Die Verwandtschaft kann ziemlich weit zurückgehen, weshalb der Bezug bei den wenigsten offensichtlich ist. So würden, wären sie drin, Etat und Distanz zusammengehören, denn Etat kommt über frz. état aus lat. status ‘Zustand’, was zu stāre ‘stehen’ gebildet wurde und Distanz kommt von lat. distantia, einer Abstraktbildung zu distāre ‘voneinander wegstehen’, das sich aus dis– und stāre ‘stehen’ zusammensetzt.

Ich schalte die Kommentare mal auf “moderiert”, damit ihr eine Weile Zeit zum Rätseln habt, und gebe dann alle auf einmal frei. Hilfsmittel sind natürlich erlaubt, aber ich glaube es wäre sehr langweilig, dafür in den Kluge zu gucken – da habe ich die Wörter nämlich her. Für die schönste (Teil-)Lösung gibt’s einen kleinen Preis mit Etymologiebezug.

Update 13.4.: Ab sofort sind die Kommentare wieder freigeschaltet – wer noch selbst rätseln will, sollte also nicht reinschauen. Die richtigen Lösungen haben JJ und radierer gefunden, Respekt! Hier sind sie, ein paar Erläuterungen dazu folgen in den nächsten Tagen: Den Rest des Beitrags lesen »


Keine macht den Drogen

31. März 2011

Vor ein paar Monaten habe ich meinen Kleiderschrank durchgesehen und eine Menge Zeug zum Roten Kreuz gebracht. Dieses Kleidungsstück lag lange auf dem Weggabestapel, aber schließlich habe ich es aus nostalgischen Gründen doch behalten.

KEINE MACHT DEN DROGEN

Ja, genau, da gabs mal so ne Kampagne. Ich war in der ersten Klasse, wir bekamen alle diese T-Shirts, mussten damit für Pressefotos auf dem Schulhof herumlaufen und sahen aus wie kleine Gespenster. Die nächsten zehn Jahre benutzte ich das Ding als Nachthemd, heute passt es halbwegs (siehe links). Und die ganze Zeit über war ich jedes Mal, wenn ich den Slogan sah, leicht irritiert.

Hätte man für das Logo (das heute sehr telekomartig anmutet, aber damals war die Post ja noch gelb) keine Blockbuchstaben genutzt, hätte ich die mir damals unbekannte Konstruktion “Keine Macht dem/den/der …” gelernt und gut wär’s gewesen. So aber war meine persönliche Analyse Keine macht den Drogen, was ich für höchst kurios hielt, müsste es doch Keine macht die Drogen heißen. Nicht, dass das dann irgendeinen Sinn gehabt hätte, denn wer sollte diese Keine eigentlich sein und warum war es so bemerkenswert, dass sie nicht an der Drogenproduktion beteiligt war?

Ich glaube so gegen Ende meiner Schulzeit wurde mir irgendwann klar, wie der Spruch gemeint war.

Die Keine Macht+Dativ-Konstruktion scheint mir durch diese Kampagne ziemlich beliebt geworden zu sein, so findet sich in der Buchsuche bei Google recht gut als direkte Anspielung erkennbar:

Keine Macht den Drögen, Keine Macht den Proben, Keine Macht den Doofen

Und weitere Beispiele, die sich nicht sicher auf die Kampagne zurückführen lassen (erste 300 Suchergebnisse ausgewertet): Den Rest des Beitrags lesen »


Von r, Nasalstrichen und Häkchen

17. Dezember 2010

Ich trage seit Urzeiten die Kindheitserinnerung mit mir herum, dass ich lange Zeit dachte, die Goten bei Asterix und die Goten hätten einen Sprachfehler, weil sie immer f statt s sagten. Wer’s nicht kennt: Die Goten “sprechen” in Frakturschrift. Das ist eine sogenannte “gebrochene Schrift”, die neben dem runden <s> auch das lange <ſ> besitzt. (Die Verteilung ist ganz grob: Silbenanfang und -mitte <ſ>, Silbenende <s>.) Nun habe ich eben einmal nach einem Beispiel gegooglet und entdeckt, dass die Erinnerung wohl falsch ist: In den Comics wird immer das <s> benutzt. Hier z.B. müsste das <ſ> in <marschieren>, <ist> und <Lust> stehen und auch hier ist es nirgends zu finden. Eine vom heutigen Standpunkt aus leserfreundliche Entscheidung.

Dass <ſ> und <f> sich in gebrochenen Schriften sehr ähnlich sehen, ist ja recht weit verbreitetes Wissen:

nit vstopffē lassē

r gegen r!

Aber wusstet Ihr, dass es zwei Schreibungen von <r> gab? Schaut mal:

.../deßhalben sol man sich daruor hüten/vnd sonderlich/vor grossem zoren/Vnmuot/Sorgfeltigkayt/vnnd forchte des todts

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Wie man ein Korpus zusammenstückelt und einen Teufelspakt schließt

3. Dezember 2010

Ich bin momentan dabei, eine Sammlung frühneuhochdeutscher Texte (ein „Korpus“), aus denen man idealerweise Aussagen über das Deutsch der damaligen Zeit ableiten kann, für mein Dissertationsvorhaben anzupassen. Das Korpus wurde ursprünglich zusammengestellt, um die Entstehung der Substantivgroßschreibung zu untersuchen, deshalb machte es z.B. nichts aus, dass auch übersetzte Texte darin enthalten waren. Bei meiner Fragestellung habe ich aber ein bißchen Angst, dass die Wort- und Satzstruktur durch direkte lateinische Vorlagen beeinflusst sein könnte. Deshalb werfe ich übersetzte Texte raus und nehme andere rein.

Ich war also in der letzten Zeit viel auf der Suche nach passenden Texten – sie müssen aus bestimmten Zeitspannen sein, als Drucke vorliegen und von bestimmten Druckorten (oder wenigstens aus deren Dialektgebiet) stammen. Ach ja, Gereimtes darf auch nicht. Und mindestens 4000 Wörter lang. Und sie müssen Originale oder Faksimiles als Vorlage haben.

Perfekt sind Texte, die elektronisch vorliegen, wie z.B. die Texte des Bonner Frühneuhochdeutschkorpus. Auch bei Wikisource findet sich für vergangene Jahrhunderte einiges, was sorgfältig von den Originalen abgetippt und korrekturgelesen wurde und sich damit auch bei Unsicherheiten immer vergleichen lässt. Weniger perfekt, aber als Lückenfüller geeignet ist auch GoogleBooks – die Texterkennung, die man über die alten Drucke gejagt hat, taugt zwar für Fraktur nichts, aber man kann sich viele alte Bücher als Pdf runterladen und dann per Auge durchsuchen. Ansonsten gibt es auch noch eine ganze Reihe von Unibibliotheken, die ihre alten Drucke und Manuskripte als Bilder digitalisieren, z.B. Heidelberg und Göttingen. (Heidelberg hat auch eine enorm ausführliche Linkliste zum Thema.)

Auf meiner Suche habe ich viele Texte angelesen – auch welche, die gar nicht geeignet, aber dafür sehr kurios sind. Zum Beispiel diesen (Foto von Historiograf):

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