Schschschschschschschschschsch

22. Juli 2011

Beim Herumlesen in frühneuhochdeutschen Texten habe ich eine charmante Betrachtung über das Graphem <sch> gefunden:

In: Der Hochdeutsche Schlüszel Zur Schreibrichtigkeit oder Rechtschreibung (Leipzig, 1648)

Wann das (ch) auf ein (s) folget/so wird ein grobzischender Laut daraus/daß es fast seltzsam ist / wie doch solche drey Búchstaben sich zu der zischenden Stimme gefunden haben ; weil weder einer alleine/noch sie zusammen solchen Tón zugében vermögen : werden demnach ausgesprochen wie das Hebraische ש, als: erfrischen/&c.

Das <sch> ist ein sogenannter “Trigraph”: Man benutzt drei Buchstaben, um einen bedeutungsunterscheidenden Laut (“Phonem”) aufzuschreiben. Das heißt man schreibt z.B. <Sau>, aber <Schau>, dabei werden beide Wörter nur mit jeweils zwei Lauten (einem Frikativ und einem Diphthong) ausgesprochen: /za̯ʊ/ und /ʃa̯ʊ/. Ähnlich geht es mit <ch> (<Bach>, gesprochen /χ/) und <ng> (<hängen>, gesprochen /ŋ/).

Und, wie klug bemerkt, andere Schriftsysteme machen keine derartigen Umstände. Das hebräische Alphabet hat das z.B. <ש> (das allerdings sowohl als [s] als auch als [ʃ] ausgesprochen werden kann), das arabische das <> und das kyrillische das <ш>. Und auch das lateinische Alphabet kann man prima anpassen, wie zum Beispiel das Rumänische mit <ș> zeigt.

Der Autor wunderte sich über die seltsame Schreibpraxis, mit <s>, <c> und <h> einen Laut aufzuschreiben, der sich nicht aus den dreien zusammensetzt. Das ist aber gar kein so großes Hexenwerk – in Wirklichkeit reflektiert sie eine ältere Aussprache. Unser heutiger Laut /ʃ/ kommt durch zwei Lautwandelprozesse zustande: Den Rest des Beitrags lesen »

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Wörter auf -nf

10. Oktober 2010

Vor einer Weile kam jemand mit der Suchanfrage

wörter mit endung nf

hierher. Offline könnte man so etwas mit einem sogenannten „rückläufigen Wörterbuch“ herausfinden. Aber was’n Stress!

Meine Online-Standardlösung in solchen Fällen ist canoo.net. Ging hier aber erstmal nicht, denn da muss man mindestens drei Buchstaben eingeben. Die Anfrage *nf führt zu “Bitte seien Sie genauer: Wildcards sind erst ab 3 Buchstaben erlaubt”. Wie nervig, es will ja keiner tausend (= 30) Abfragen mit *anf, *bnf, … machen!

Aber elexiko vom Institut für Deutsche Sprache ist kooperativ, es spuckt 15 Treffer aus. Sucht man sich davon nur die einfachen Wörter aus, schnurrt die Zahl derer auf –nf ganz schnell auf vier zusammen: Hanf, Senf, fünf und der Eigenname Genf. Sind das schon alle? Den Rest des Beitrags lesen »


Warhafftige Beschreibung …

27. September 2010

Letzte Woche bin ich auf einen großartigen Buchtitel gestoßen und habe gemerkt, dass Twitter und Facebookstatus zu klein dafür sind … daher also hier:

Warhafftige
Beschreibung
Von denen Drey wilden
Hunden
Welche sich
unweit Leipzig in der gegend Dölitzsch/Brena/
Bitterfeld/Kühne und Schenckenbergk/im Jahr 1710.
vom Monat Augusto biß zum Ende des Novembr. sehen las=
sen/und was sie vor grossen Schaden an
Schaff=Vieh gethan/
Auch wie einer im Dorff Rhödigen/so in die Gerichte
des Herrn Cammer=Herrn von Miltitz und in das Schen=
ckenbergische Kirch=Spiel gehörig/den 29. Nov. mit Ge=
walt getödtet worden.
Nach glaubwürdiger Nachricht von obbemelden Orthen
selbst eingeholt und nebst
gelehrten Anmerckungen
Ob Menschen sich in solche Hunde verwandeln können?
oder es nur in der Phantasie bestehe? ob dieses tolle oder wilde Hun=
de gewesen? woher solche wilde Hunde kommen? und ob sie aus ei=
ner Antipathie gegen die Schaffe solchen Schaden gethan?

Erschienen in Leipzig 1711. Hier kann man sich ein Foto davon anschauen. Oder es gleich für 850 Euro kaufen

Ganz ehrlich? Für diese Verwendung von Antipathie lohnt es sich wahrscheinlich schon.

Und damit der linguistische Touch erhalten bleibt: Laut Kluge haben wir das Wort aus dem Lateinischen (antipathîa), was wiederum von griechisch antipátheia kommt. Das ist eine Abstraktbildung zu antipathes ‚entgegengesetzt fühlend‘, in dem páthos, die ‚Gemütsbewegung‘ drinsteckt. Wir haben’s seit dem 16./17. Jahrhundert.


StuTS in Bochum

22. November 2009

Ich war diese Woche auf der 46. StuTS in Bochum und hatte eine Menge Spaß mit einer Menge großartiger Menschen. Es gab superviele spannende Vorträge – hier zwei Randnotizen für Euch:

  • Regenschirm heißt auf Luxemburgisch Präbbeli. Das kommt vom gleichbedeutenden französischen parapluie. (Fränz)
  • Das griechische Alpha (Α, α) kommt vom phönizischen Alef. Im Griechischen steht es für den a-Laut, das war aber ursprünglich im Phönizischen nicht so – dort stand es für den Konsonanten, den wir im Deutschen am Wortanfang vor Vokalen aussprechen: den Glottisverschlusslaut [ʔ] (hier zu hören, immer vor dem a). Den hatte das Altgriechische wahrscheinlich nicht, der erste Laut, den die Griechen also hörten, war [a].  So wurde das Zeichen uminterpretiert. (Julia & Stefan)

Und noch was zum Gucken:

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Flug-Hund, Meer-Katze, Fleder-Maus

4. September 2009

Habt Ihr schon mal drüber nachgedacht, dass viele Tiere nach Tieren benannt sind? Obwohl sie gar nicht miteinander verwandt sind? Also z.B. eine Meerkatze keine Katze ist?

Meistens ist der Tierbestandteil ein Wort für ein schon lange domestiziertes Tier – ist ja logisch, dass man von Bekanntem ausgeht, um Unbekanntes zu benennen. In meiner Sammlung besonders prominent1:

Das Schwein

  • Meerschweinchen
  • Stachelschwein
Das Schwein

Foto: Kumana @ Wild Equines (cc-by-2.0)

Das Pferd

  • Nilpferd, Flusspferd
  • Seepferd(chen)
  • Graspferdchen, Heupferd
  • Walroß

Der Hund

  • Seehund
  • Flughund

Foto: gwyrah (cc-by-2.0)

Foto: Nize (cc-by-sa-2.0)

Die Katze

  • Meerkatze
  • Eichkatze, Eichkätzchen (Eichhörnchen)
  • Seekatze (Fischart)

Der Bär

  • Ameisenbär
  • Koalabär, Beutelbär

Foto: Jean-noël Lafargue (Copyleft)

CC-

Foto: Christoph Neumueller (cc-by-sa-3.0)

Der Igel

Und sonst noch so?

Woran liegt’s?

Die Gründe für solche Benennungen sind wahrscheinlich sehr vielfältig, jedes Wort hat seine eigene Etymologie.

Bei vielen Bezeichnungen ist ganz klar, dass man niemals dachte, das Tier gehöre zu der Gattung, nach der es benannt ist (Heupferd, Meerschweinchen, Seehase). Warum dann die Benennung? Der kognitive Prozess, der hier häufig mitspielt, nennt sich “Metapher”. Ja, genau, das gibt es nicht nur in Gedichten. Ein Heupferd könnte zum Beispiel nach dem Pferd benannt sein, weil es ebenfalls springt. Ein Wasserfloh könnte so heißen, weil er ähnlich klein wie ein Floh ist. Eine Eichkatze kann so gut klettern wie eine Katze. Ein Seepferdchen sieht einem Pferdekopf ähnlich.
Überhaupt ist die Gruppe der See-Irgendwasse ziemlich groß – vielleicht weil man versuchte, das Seetierreich ähnlich dem Landtierreich zu strukturieren? (Natürlich nicht bewusst. Und natürlich ist das nur eine wilde Vermutung.)

Es gibt aber auch eine Gruppe von Wörtern, bei denen man das Tier YX wirklich als eine Art von X betrachtete. Dazu gehören z.B. die Walfische, die man lange für eine Fischart hielt. (Natürlich entstanden die meisten Wörter, bevor unsere heutige Taxonomie entstand, sie waren also nicht wirklich “Fehlbenennungen”.)

Und schließlich gibt es auch noch die beliebten Volksetymologien: Das Tier hieß ursprünglich ganz anders, das Wort ähnelte aber einem bekannten Tier und wurde so daran angeschlossen. So nimmt man an, dass Meerkatze auf altindisch markáta– ‘Affe’ zurückzuführen ist. Schon im Althochdeutschen wurde es aber als mer(i)kazza bezeichnet.

Auch noch wichtig ist, dass viele dieser Wörter keine deutschen Bildungen sind, sondern Übersetzungen aus einer anderen Sprache. So stammt der Seehund aus dem Niederländischen oder Niederdeutschen und das Flusspferd aus dem Griechischen.

Falls Ihr noch weitere Tiere kennt, die nach Tieren benannt sind … ich freue mich über Kommentare! Auch über Beispiele aus anderen Sprachen oder Hinweise zur Herkunft der schon genannten Wörter.

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