8. Dezember 2010
Wusstet Ihr, dass das Deutsche schon kaputt ist? Ich bin mir auch nicht sicher, wie es der wachsamen Öffentlichkeit entgehen konnte, aber im Jahr 1642 spätestens war alles verdorben. Warum und wie? Aber ja, die leidigen Fremdwörter haben die Sprache versaut und dafür gesorgt, dass man sich nicht mehr verständigen konnte. So zu lesen in diesem wunderbaren Gedicht auf Wikisource. Es richtet sich
Wider alle Sprachverderber / Cortisanen / Concipisten vnd Concellisten / welche die alte teuotsche Muttersprach mit allerley frembden / Lateinischen / Welschen / Spannischen vnd Frantzösischen Wörtern so vielfältig vermischen / verkehren vnd zerstehren / daß Sie jhr selber nicht mehr gleich sihet / vnd kaum halber kan erkant werden.
Schlümm, schlümm.
Was haben wir noch?
Nach diversen Beschimpfungen geht es dann in Strophe 6 los mit einem Fremdwort-ABC. Ich habe mir mal den Spaß gemacht, die verhassten Wörter zu extrahieren und zu schauen, wie es heute um sie steht. Von 294 Fremdwörtern und -wendungen haben wir (je nach zugrundegelegter Wortliste1) etwas mehr als ein Drittel behalten (116 bzw. 111).
Welche Rolle spielen sie?
Die Überlebenden sind zwar meist noch als Fremdwörter zu erkennen, haben sich aber heute super integriert. (Teilweise auch mit drastischen Bedeutungsveränderungen.) Viele gehören in spezifische Bereiche, wie z.B. zum Militär: Den Rest des Beitrags lesen »
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31. Oktober 2010

Kürbisse vor Kürbissuppe
Ich habe mich diese Woche jahreszeitbedingt eine Menge mit Kürbissen beschäftigt.1 Siehe rechts. Dabei spukte mir immer wieder im Kopf herum, dass ja auch Zucchini Kürbisse sind. Das ursprünglich italienische Wort bedeutet in seiner Herkunftssprache sogar ‘kleiner Kürbis’, es ist von zucca ‘Kürbis’ abgeleitet.
Kurioserweise kann das Wort sowohl im Italienischen als auch im Deutschen maskulin und feminin sein. Den Rest des Beitrags lesen »
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7. November 2009
Was haben Karton, Ballon, Battaillon, Salon, Medaillon und Million gemeinsam? Ganz zu schweigen von Minestrone, Cannelloni und Tortelloni?
Mehrere Dinge … zunächst einmal sind es ganz klar Fremdwörter. Den Rest des Beitrags lesen »
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12. April 2009
Ostern ist nicht nur etymologisch interessant, sondern auch vom Wortmaterial her: Es gab einmal einen Singular, die Oster, heute ist aber nur noch der Plural Ostern gebräuchlich. Den man gelegentlich auch wieder als Singular verwenden kann: das Ostern.

Ostern 1987 – noch kein Interesse an Etymologien
Woher das Wort kommt, ist nicht so eindeutig. Es ist auf jeden Fall verwandt mit Osten als dem Ursprung der Sonne und bezieht sich wahrscheinlich auf eine vorchristliche Gottheit der Morgenröte, auf jeden Fall aber auf das Längerwerden der Tage und den Frühling. Morgenröte, Auferstehung, der Weg war nicht weit und die Übertragung auf das christliche Fest schnell erledigt. Im Althochdeutschen hieß das Fest ôst(a)râ, im Mittelhochdeutschen ôster. Der Monat April hieß übrigens früher einmal ôstermânôth, angeblich so benannt durch Karl den Großen. (Zu den Monatsnamen auch: Wunderland Deutsch.)
Die europäischen Sprachen sind, was Ostern angeht, nicht so variantenreich:
- Das Englische hält es mit dem Deutschen (Easter).
- Die meisten Sprachen haben aus dem Hebräischen/Aramäischen entlehnt (ich zitiere keine Urform, da ich keine zuverlässige Quelle habe), und zwar die Bezeichnung des jüdischen Pessach-Festes, mit dem Ostern nicht von ungefähr zeitlich und kausal in Bezug steht: Dänisch (Påske), Spanisch (Pascua), Finnisch (Pääsiäinen), Französisch (Pâques), Italienisch (Pasqua), Niederländisch (Pasen), Norwegisch (Påske), Rumänisch (Paşti), Russisch (Пасха), Schwedisch (Påsk)
- Ungarisch (Húsvét): hús heißt auf jeden Fall ‘Fleisch’, die Zusammensetzung wahrscheinlich ‘Fleisch nehmen/kaufen’, aber die Bedeutung stammt nur aus dem Internet, also wer weiß. Wäre aber logisch, die Fastenzeit ist da nämlich vorbei.
- Mit Bezug auf die Nacht, wie an Weihnachten auch, gibt es ‘große Nacht’ im Polnischen (Wielkanoc) und Tschechischen (Velikonoce). Im Lettischen (Lieldienas) ist hingegen der Tag groß.
Hier gibt es übrigens eine ganze Sammlung von Osterbezeichnungen in verschiedenen Sprachen.
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10. April 2009
Hier haben wir doch noch einen Tag, der den Kummer ausdrückt, mit dem es am Gründonnerstag nichts wurde. Kar– geht auf althochdeutsch kara ‘Kummer, Sorge’ zurück (übrigens verwandt mit dem englischen care). Ein Blick in Grimms Wörterbuch zeigt aber, dass das Wort Kartag ursprünglich nicht allgemein einen traurigen Tag bezeichnete, sondern einen ganz bestimmten traurigen Tag: den “tag an welchem ein verstorbener unter klaggeschrei beerdigt und dann das leichenmahl gehalten wird” (DWB). Im Zimbrischen, einer deutschen Sprachinsel in Italien, hat es diese Bedeutung noch heute.

Quelle: Wikipedia
Der Karfreitag ist also einfach der Tag, an dem Jesus dem christlichen Glauben nach starb und prompt beerdigt wurde. Im Mittelhochdeutschen hieß der Tag karvrîtac oder schlicht kartac.
Auch heute habe ich mich ein bißchen im restlichen Europa umgesehen:
- ‘heiliger Freitag’: Spanisch (Viernes Santo), Französisch (Vendredi saint), Italienisch (Venerdì Santo)
- ‘guter Freitag’: Niederländisch (Goede Vrijdag), Englisch (Good Friday) – Zumindest im Englischen kommt es von der ursprünglichen Bedeutung ‘heilig’.
- ‘großer Freitag’: Russisch (Великая пятница), Tschechisch (Velký pátek), Polnisch (Wielki Piątek), Ungarisch (Nagypéntek), Estnisch (Suur reede), Rumänisch (Vinerea Mare)
- ‘Leidensfreitag’: Rumänisch (Vinerea Patimilor)
- ‘langer Freitag’: Schwedisch (Långfredagen), Dänisch (Langfredag), Norwegisch (Langfredag), Finnisch (Pitkäperjantai) – Im Englischen scheint es auch einmal einen Long Friday gegeben zu haben, “due to the long fast imposed upon this day”. Ob das die richtige Etymologie ist, weiß ich allerdings nicht.
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