[Linktipp] Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz

21. Januar 2011

Ich war mir erst nicht sicher, ob ich Anatol Stefanowitschs Petition gegen die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz mitzeichnen sollte. Ich fand die ganze Kampagne von BILD und VDS so albern, dass es mir unnötig erschien, denen noch weitere Aufmerksamkeit in Form von Gegenaktionen zukommen zu lassen.

Dann habe ich die Kommentare gelesen. Und eine Nacht drüber geschlafen. Heute morgen habe ich gleich als erstes unterschrieben.

Es ist skurril, krass, abartig und leider überhaupt nicht überraschend, wie sich die Befürworter der Deutsch-ins-GG-Aktion gebärden. Da haben wir, ganz typisch, den Verweis darauf, dass Anatol Stefanowitsch keinen deutschen Namen habe – was schon mal überhaupt keine Relevanz hat –, daraus resultierend dann der Schluss, dass er kein Deutscher sei, und daraus wird dann abgeleitet, dass er eh nichts zum Thema zu melden habe bzw. dass er ja dann inhärent “gegen” das Deutsche sei. Das kennt man. Bei der StuTS hat Prof. Wiese, die ja Untersuchungen zu Kiezdeutsch macht, von Drohmails erzählt, die sie bekommt. Ein Beispiel waren Aussagen wie “Sie haben zwar einen deutschen Namen, aber wahrscheinlich sind Sie …” und ähnliches. Ein deutscher Name scheint für solche Leute un-glaub-lich wichtig zu sein.

Dann gibt es die Leute, die die Verankerung im Grundgesetz nicht für eine rein symbolische Handlung halten, sondern für eine konkrete Handhabe, z.B. gegen Anglizismen, dagegen, dass Geschäfte ihre Produkte ausschließlich in einer Fremdsprache beschriften (was zumindest für Lebensmittel Unsinn ist), gegen die “Kreolisierung” des Deutschen, oder gar gegen den Sprachtod. Wie A.S. schon gründlich ausgeführt hat, ist das alles entweder absurd oder irrelevant.

Eine Verankerung des Deutschen im Grundgesetz definiert zudem noch lange nicht, was Deutsch eigentlich ist. Wie jede natürliche (und auch die meisten künstlichen) Sprache(n) verändert sich das Deutsche permanent. Meist sind dabei die Dinge, die in der Öffentlichkeit als sehr große Veränderungen wahrgenommen werden, eher irrelevant für das Sprachsystem (z.B. Rechtschreibreform). Aber egal welche Rolle sie für den Sprachwandel spielen: Er ist unaufhaltbar. Und warum sollte man ihn auch aufhalten wollen? Was ist denn so schlimm daran, dass sich eine Sprache verändert? Eine Sprache, die sich nicht mehr verändert, ist tot.

Und: Eine Sprache kann man nicht auf ihren Ausgangszustand zurückführen. Was wäre das denn? Für die Leute, die sich da ereifern, ist in der Regel das Deutsch ihrer Schulzeit das Maß aller Dinge. Bedenkt man aber, dass die alle ganz unterschiedlichen Alters sind, und dass sich auch schon vor langer Zeit Leute derart ereifert haben, wird langsam klar, dass man immer weiter zurückgehen müsste … ins Frühneuhochdeutsche, wo es noch gar keine Standardsprache gab, ins Mittelhochdeutsche, wo die Situation noch uneinheitlicher war, ins Althochdeutsche und dann … dann kommen die Sprachstufen, für die wir keine schriftlichen Quellen haben. Wird schwer, das zu sprechen. (Zumal, komm, schriftliche Quellen als Vorbild für gesprochene Sprache? Haha.)

Ich könnte mich noch weiter ereifern, aber das spare ich mir lieber. Meine Bitte: Schaut euch die Links an, bildet euch eine Meinung und entscheidet euch ganz bewusst, ob ihr die Petition mitzeichen wollt oder nicht. Ich habe es getan, unter anderen als bewusstes Statement gegen diesen ganzen Kommentarmüll.

[Update 25.1.2011: Suz hat einen sehr klugen Beitrag geschrieben, in dem sie die Argumente der Befürworter und Gegner von allen Seiten beleuchtet.]

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1642: Das Jahr, da die teusch Sprach verderbt war

8. Dezember 2010

Wusstet Ihr, dass das Deutsche schon kaputt ist? Ich bin mir auch nicht sicher, wie es der wachsamen Öffentlichkeit entgehen konnte, aber im Jahr 1642 spätestens war alles verdorben. Warum und wie? Aber ja, die leidigen Fremdwörter haben die Sprache versaut und dafür gesorgt, dass man sich nicht mehr verständigen konnte. So zu lesen in diesem wunderbaren Gedicht auf Wikisource. Es richtet sich

Wider alle Sprachverderber / Cortisanen / Concipisten vnd Concellisten / welche die alte teuotsche Muttersprach mit allerley frembden / Lateinischen / Welschen / Spannischen vnd Frantzösischen Wörtern so vielfältig vermischen / verkehren vnd zerstehren / daß Sie jhr selber nicht mehr gleich sihet / vnd kaum halber kan erkant werden.

Schlümm, schlümm.

Was haben wir noch?

Nach diversen Beschimpfungen geht es dann in Strophe 6 los mit einem Fremdwort-ABC. Ich habe mir mal den Spaß gemacht, die verhassten Wörter zu extrahieren und zu schauen, wie es heute um sie steht. Von 294 Fremdwörtern und -wendungen haben wir (je nach zugrundegelegter Wortliste1) etwas mehr als ein Drittel behalten (116 bzw. 111).

Welche Rolle spielen sie?

Die Überlebenden sind zwar meist noch als Fremdwörter zu erkennen, haben sich aber heute super integriert. (Teilweise auch mit drastischen Bedeutungsveränderungen.) Viele gehören in spezifische Bereiche, wie z.B. zum Militär: Den Rest des Beitrags lesen »


[Filmtipp] The Linguists

27. April 2009

Ich habe ja schon mal ein Interview mit David Harrison verlinkt, der bedrohte Sprachen erforscht. Über ihn und seinen Kollegen Gregory Anderson (der furchtbar viel lacht) gibt es einen Dokumentarfilm namens The Linguists. Es geht darin vor allem darum, wie die beiden die Sprecher der aussterbenden Sprachen finden und mit ihnen interagieren – in Sibirien, Bolivien, Indien und den USA. Das Language Log hat darauf hingewiesen, dass man den Film jetzt (“nur für kurze Zeit”) online gucken kann, was ich natürlich gleich getan habe. Dagegen ist meine geplante Feldforschung mit den Alemannen sehr unexotisch …

2009-04-27-thelinguists

Zum Anschauen einfach auf das Bild klicken oder, falls es nicht klappt, den Film auf babelgum.com heraussuchen. Bei mir lief er nur im Internet Explorer.


[Surftipp] Strange Maps – Sprachkarten

18. Dezember 2008

Ich bin zurück, mit dem festen Vorsatz, endlich mal so regelmäßig zu schreiben, dass auch jemand regelmäßig vorbeischaut.
Heute soll es um ein Blog gehen, das ich heiß und innig liebe: Strange Maps.
Jeder Eintrag dreht sich um eine Landkarte oder einen Stadtplan irgendeiner Art, und darunter sind auch viele sprachbezogene Karten.

Hier ein kleiner Überblick:

334 – The Atlas of True Names: Etymologie

Hier geht es um Karten, auf denen alle Namen (Städte, Länder, Gewässer, …) etymologisch auf ihre „Urform“ zurückgeführt werden. Es handelt sich mehr um ein Spaßprojekt als um eine wissenschaftliche Arbeit, weshalb es auch das Language Log ziemlich kritisiert hat – aber ich finde die Idee sehr witzig, und was ich bisher von der Umsetzung gesehen habe ich auch nicht so übel.
Ich hab mir die Karten bestellt und werde bestimmt bald was drüber schreiben.

329 – Chaffinch Map of Scotland
: Dialektologie

Ein Gedicht in der Form Schottlands – das Verbreitungsgebiet des chaffinch ‚Buchfink‘ wird mit der jeweiligen regionalen Bezeichnung markiert.

308 – The Pop Vs Soda Map: Regionalismen

Es geht darum, wie alkoholfreie Erfrischungsgetränke in den USA genannt werden. Zur „Pop vs. Soda controversy“ gibt es auch eine eigene Internetseite.

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231 – Praise the Lord and Pass the Dictionary!: Sprachen Europas & Graphie

Europa Polyglotta, Linguarum Genealogiam exhibens, una cum Literis, Scribendique modis, Omnium Gentium – eine Karte mit dem Beginn des Vaterunsers in der jeweiligen europäischen Sprache (und dem entsprechenden Alphabet) im entsprechenden Land.

230 – Papua New Guinea, the Linguistic Superpower: Sprachen der Welt

Diese Karte liebe ich ganz besonders – sie rückt die Dinge einmal in die richtige Perspektive, sprachtechnisch. Eine Weltkarte, die zeigt, wie groß die Länder sein müssten, wenn man ihre Größe nach den in ihnen gesprochenen Sprachen berechnete. Auf nach Ozeanien!

41 – Amikejo, the World’s First (and Only) Esperanto State
: Kunstsprache

Die kreativen Bemühungen einer Sprache, ein Land zu finden …

13 – The retreat of Cornish: Sprachtod

Hier sieht man, wie Kornisch „ins Meer gedrängt“ wurde. Vom bösen Englisch. Es wurde aber zwischenzeitlich wiederbelebt, das sieht man auf der Karte nicht.

Strange Maps lohnt sich aber nicht nur wegen der ab und an linguistischen Karten – auch alles andere ist sehr lesens- und sehenswert. Dringend mal vorbeischauen!


Sprachtod = Kulturtod

19. März 2008

Hier spricht ein Mensch (K. David Harrison), dessen Buch („When languages die“) ich mir beinahe bei der DGfS gekauft hätte, über Sprachtod. Zur Sensibilisierung für das Problem ganz schön, finde ich.