[Buchtipp] Täuschende Wörter

2008-12-25-olschanskySchon lange mal wollte ich Euch Heike Olschanskys Buch “Täuschende Wörter”1 ans Herz legen. So lange schon, dass ich grade ein sehr intensives déjà-écrit-Erlebnis habe. Naja, hier auf jeden Fall nicht.
Das Buch ist ein Mini-Lexikon für Volksetymologien.

Eine Etymologie ist die Geschichte eines Wortes – woher es kommt und wie es sich im Lauf der Zeit verändert hat, lautlich und semantisch (also von der Bedeutung her).
Wenn man z.B. das heutige Wort Marschall nimmt und es zurückverfolgt, kommt man bei althochdeutsch marascalc raus, ‘Pferdeknecht’ (mar ‘Pferd’, scalc ‘Diener’ – da kommt übrigens auch der Gottschalk her!).
Wenn verschiedene Wörter auf einen gemeinsamen Stamm zurückgeführt werden können, so bezeichnet man sie als etymologisch verwandt und kann damit im Tutorium Angst und Schrecken verbreiten. (Etymologisch verwandt ist z.B. schneiden mit Schnitt oder frieren mit Frost.)
Für Etymologien gibt es etymologische Wörterbücher – für’s Deutsche z.B. den “Kluge”.2

Eine Volksetymologie kommt dann zustande, wenn ein Wort fälschlicherweise mit Wörtern zusammengebracht wird, mit denen es gar nichts zu tun hat. Klassisches Beispiel sind der Maulwurf und der Tollpatsch, daher lieber was anderes:

schmetterling1

Der Schmetterling hat nichts mit schmettern zu tun sondern kommt wahrscheinlich von Schmettenling (ostmitteldeutsch), dessen erster Bestandteil wohl von Tschechisch smetana ‘Milchrahm’ herrührt3. Das hat dann seine Ursache darin, dass im Volksglauben Schmetterlinge oft mit Milchprodukten in Verbindung gebracht wurden – Olschansky führt an, dass sie sich angeblich gerne auf Milchgefäße setzen oder dass Hexen sich in Schmetterlinge verwandelten, um Milch und Rahm zu stehlen. Was lustigerweise auch am engl. butterfly zu sehen ist.

Weitere Erklärungen gibt’s im angepriesenen Buch, unter anderen für die Wörter Affenschande, Armbrust, Beispiel, Braten, Eichhörnchen, Eisvogel, Friedhof, …
Außerdem gibt es ein Kapitel zu Volksetymologien in anderen Sprachen und in Eigennamen und ein wunderbares Mini-Glossar von vier Seiten, das alle verwendeten Fachbegriffe auch für Laien verständlich macht.

Natürlich sind viele der Volksetymologien auch in einem normalen etymologischen Wörterbuch erklärt, aber dazu muss man sie alle erst einmal finden. Und Olschansky schreibt so angenehm lesbar und gleichzeitig ernsthaft wissenschaftlich (sie gibt z.B. alle bekannten Formen in älteren Sprachstufen an, manchmal sogar bis ins Indogermanische zurück), dass es eine Freude ist.
Also: Lesen!

Fußnoten:
1Heike Olschansky (1999): Täuschende Wörter. Kleines Lexikon der Volksetymologien. Stuttgart.
2Elmar Seebold (2002): Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Aufl. Berlin.
3Auf Rumänisch heißt saure Sahne/Rahm übrigens smăntână, was sie bestimmt aus einer slawischen Sprache geklaut haben, im Russischen heißt’s nämlich auch сметана (smetana).

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