When you friend someone …

Bevor ich mich im Rahmen der Wahl zum Anglizismus des Jahres 2010 mit entfreunden/-frienden im Deutschen beschäftige, will ich kurz den Hintergrund im Englischen beleuchten – zumindest das davon, was ich einigermaßen klären konnte.

Anfreunden auf Englisch

“in the Facebook sense”

Das deutsche Verb frienden kommt vom gleichbedeutenden englischen to friend. Als heutige Bedeutung würde ich ansetzen  ‘bei einem sozialen Netzwerk/Computerspiel/… eine Verknüpfung (“Freundschaft”) erstellen’. Ein bißchen anders sieht es die englische Wikipedia (eigener Eintrag seit dem 1. November 2010):

As a neologism, the term is a transitive verb meaning „to send a friend request on Facebook.“

Hier wird als Bedeutung also ‘jemandem auf Facebook eine Freundschaftsanfrage schicken’ angegeben. Das finde ich etwas zu eng, wird doch auch anderswo, z.B. bei LiveJournal oder MySpace, eine ganze Menge gefriendet. Außerdem stellt sich natürlich die Frage, ob frienden etwas ist, das man völlig eigenständig tun kann (also die Anfrage stellen), oder ob es nicht eher reziprok getan werden muss (der zukünftige “Freund” muss ja zustimmen). Wäre vielleicht ganz spannend, Beispiele daraufhin zu untersuchen, ob im alltäglichen Gebrauch schon der Versuch der Freundschaftsknüpfung als to friend gewertet wird.

Facebook selbst, das oft als Ursache für die Entstehung angegeben wird, verwendet das Wort übrigens nicht, sondern bedient sich einer Umschreibung:

Facebook auf Englisch: „Add as Friend“

Seit wann?

Dann stellt sich natürlich die Frage nach der Datierung von to friend. Etymonline setzt in der Facebookbedeutung 2005 an. Die NYT hat ein kleine Definition von 2005, in der sie es noch weiter zurückdatiert:

To friend (verb, transitive): To link one’s online profile to another’s on Facebook.com, the hugely popular site for students. Widely used in various social dramas, as in: “I friended my new roommate before I got to campus“ or “I friended my psych classmates“ or “He friended the professor, but I think that’s brown-nosing.“ Etymology: Emerged circa 2003 on the pioneering social networking site Friendster.com.

Ob das mit Friendster wirklich stimmt? In einem Artikel über die Seite heißt es

In the months following its launch earlier that year, Friendster garnered millions of devotees, who used its name as both a verb and a noun.

Das klingt so, als habe man da to friendster someone benutzt, wofür sich auch Belege finden lassen (z.B. Oktober 2003). Eine Suche mit verschiedenen Kombinationen von to friend/friended und Friendster brachte nicht viel zutage, aber hier ist immerhin ein früher Beleg von März 2004:

If you call me Mark Lawrence, then you’ve friended me on Friendster.

Erste Verwendungen scheint es also schon ziemlich zu Beginn des Phänomens “Soziale Netzwerke” gegeben zu haben. Den tatsächlichen Umfang kann man leider nicht gut messen – Google findet für friend natürlich auch das Substantiv, man kann also nur nach friended und friending suchen, und da besteht immer noch die Gefahr, dass es in Wirklichkeit ein falsch getrenntes befriended ist. Dazu kommt, dass viele Verwendungen mit der Zeit verschwinden, besonders wenn sie in Internetforen etc. getätigt wurden, was für ein solches Wort sicher eine Rolle spielt. Plus die wilde Textzusammensetzung. Plus die vielen Texte von Nichtmuttersprachlern. Ich habe daher gar nicht erst versucht, da Zahlen zu erheben.

COCA (1990-2010) liefert die ersten Treffer für friended und friending 2007 und insgesamt nur 19 Stück, die Grundform friend kennt es als Verb gar nicht.

Eine Suche beim Ngrams Viewer war ansatzweise erhellend, ergibt sich doch für 1990-2000 das folgende Bild im amerikanischen Englisch:

friended, friending (American English)

Ca. 2007 scheint es in Büchern richtig losgegangen zu sein, mit dem Frienden. (Wobei die Grundform schon früher aufgetreten sein könnte, das lässt sich nicht testen.) Interessanterweise gibt es im britischen Englisch keine solche Steigerung. Aber Achtung: Schaut man sich einen größeren Ausschnitt an, dann kommt die aktuelle Steigerung im amerikanischen Englisch ziemlich lächerlich rüber. Und diese Feststellung leitet auch schön zum nächsten Thema über …

Da man im Englischen sehr leicht Verben aus Substantiven basteln kann, gab es to friend schon lange vorher. Etymonline gibt an, es tauche erstmals im späten 14. Jahrhundert auf. Entsprechend dann die Herkunft vieler der Belege bei Ngrams (ganz zu schweigen auch hier von vielen möglicherweise falsch analysierten befriendeds). Mit der heutigen Bedeutung und Verwendung haben solche früheren Formen aber nichts zu tun.

Ich habe ins OED geschaut (danke Michael für den Hinweis auf den Testzugang!), das eine ganze Menge Bedeutungsangaben hat, i.d.R. als veraltet oder selten gekennzeichnet. Die Facebookbedeutung wurde dort noch nicht aufgenommen. Letztlich läuft es für die früheren Formen darauf hinaus, Menschen zu Freunden zu machen oder freundlich zu stimmen oder auch als Freund zu handeln.

Spannend wäre hier sicher, es gegen to befriend abzugrenzen und sich die ganzen mittelenglischen Beispiele im OED gründlicher anzuschauen. Das würde ich aber den AnglistInnen überlassen.

Entfreunden auf Englisch

Wie Wikipedia bemerkt, ist es möglich, so eine Facebookfreundschaft auch wieder zu beenden. Dafür brauchte man natürlich auch ein Wort, und so wurde to unfriend gebildet (laut Etymonline seit Ende 2007. 2009 wurde es zum Wort des Jahres des New Oxford American Dictionary gewählt), auch to defriend ist belegt. (Und angeblich existierte sogar ein Zwist über das “richtige” Wort.)

Facebook selbst verwendet tatsächlich unfriend, wie ich durch zahlreiche Änderungen der Spracheinstellungen getestet habe. (Im Profil des entsprechenden Freundes, linke Spalte, unter der Anzeige seiner Freunde, wo man auch blockieren/ignorieren kann.)

Allerdings nicht überall. Klick man auf dieses unfriend, dann erscheint nämlich “Remove Friend”:Das scheint auch die ältere Form zu sein, so findet sich „Remove Friend“ z.B. 2007. Und sogar in diesem Artikel von Dezember 2010 erscheint “Remove from Friends” – hier im Vergleich mein Screenshot von heute und der aus dem Artikel von Dezember:

Es scheint sich also um eine sehr aktuelle Änderung zu handeln. Weiß jemand was darüber?

Bildungsweise

Im oben erwähnten Artikel zu unfriend vs. defriend findet sich auch die folgende Passage:

In announcing the word of the year, Oxford’s Lindbery said, „Most „un-“ prefixed words are adjectives (unacceptable, unpleasant), and there are certainly some familiar „un-“ verbs (uncap, unpack), but „unfriend“ is different from the norm. It assumes a verb sense of „friend“ that is really not used (at least not since maybe the 17th century!).“ (Quelle)

Hier wird also darauf verwiesen, dass un– an Adjektive oder Verben treten kann, um sie zu negieren, aber dass das hier benutzte Verb to friend seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr genutzt würde. Das stimmt natürlich insofern nicht, als dass to friend, wie oben gezeigt, in Zusammenhang mit sozialen Netzwerken neu gebildet wurde und dann als Basis dienen konnte. (Eine Kontinuität des alten Verbs zum neuen anzusetzen, würde ich für sehr gewagt halten.)

Die Kombination von un+friended findet sich auch schon früher, aber hier eindeutig als Negation eines Adjektivs, also in der Bedeutung ‘freundlos, ohne Freunde’ (so auch im OED). Drei Beispiele aus COCA:

  • „Saddam Sack“ is going to be abandoned, excluded, estranged, deserted, unfriended and isolated from the rest of the world. (1990)
  • help us to turn them out roofless with little children to wander unfriended the wastes of their desolated land in rags and hunger and thirst, sports of the sun flames of summer and the icy winds of winter, broken in spirit, worn with travail, imploring Thee for the refuge of the grave and denied it (2000)
  • It was the middle one, unfriended, while the others were lost to the streets. (2008)

Die einzige Kombination mit dem Verb, die das OED anführt, ist

I Hope, Sir, that we are not mutually Un-friended by this Difference which hath happened betwixt us. (T. Fuller Let. P. Heylyn in Appeal Injured Innoc. iii, 1659)

Eine ganz andere Verwendungsweise also: Eine Sache (hier die Meinungsverschiedenheit) treibt einen Keil zwischen zwei Freunde, unfriended sie also, statt dass einer der beiden die Freundschaft aktiv beendet, wie in der heutigen Bedeutung. (Lustigerweise auch noch belegt ist ein unfriend als Substantiv, also ein Feind.)

Im Wortverlauf zeigt sich beim Ngram Viewer für das Gesamtkorpus Englisch zwar eine leichte Steigerung, allerdings für amerikanisches Englisch nicht. Kurios. Also, einerseits nicht, denn die neue Verwendung kam sicher erst nach to friend und hat es vielleicht noch nicht in Bücher geschafft, aber woher kommt dann die Steigerung im Gesamtkorpus? Ach, wenn man nur irgendwie an die zugrundeliegenden Daten kommen könnte!

defriend scheint übrigens keine formal identische Form in vergangenen Jahrhunderten zu besitzen. Und hat es entsprechend auch nicht in Bücher geschafft: Kam früher nicht vor und ist heute weniger frequent, schlechte Chancen.

Soooo, jetzt wo das so halbwegs geklärt ist, kann ich endlich erklären, wie ich mir die ganze Geschichte im Deutschen vorstelle. Stay tuned!

3 Responses to When you friend someone …

  1. […] wird heute das erste Verb des diesjährigen Wettbewerbs diskutiert: adden ist eine Großtante von frienden, auch hier geht es darum, jemanden im Internet zu einer Kontaktliste hinzuzufügen, sodass man mit […]