Von Lauten und Buchstaben

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14 Responses to Von Lauten und Buchstaben

  1. reinholdotto sagt:

    Nach meiner Erinnerung war ein Vorwurf der Rechtschreibreformgegner, die Reform ändere nicht nur die Rechtschreibung, sondern darüber hinaus auch die Sprache (zum Beispiel, in dem man durch Auseinanderschreiben bisher zusammengeschriebener Wörter Wortartenzuordnung und sogar die Betonung ändert). Wer diesen Vorwurf vertritt, verkennt nicht den Unterschied zwischen Sprache und Schrift, er klagt ihn ein.

    • Kristin sagt:

      Zugegeben, die Getrennt- und Zusammenschreibung ist noch einmal ein ganz anderer Punkt. Im Zweifelsfallbereich gibt es widerstreitende Kriterien („Wortbildungsprinzip“ vs. „Relationsprinzip“ bei Fuhrhop z.B.), die eine zufriedenstellende Lösung einfach nicht zulassen. Diese Probleme treten genau in den Fällen auf, in denen man sich auch sprachwissenschaftlich nicht sicher ist, ob die Einheiten Wortstatus haben oder nicht.
      Für Laien, die sich seit dem Schreibenlernen nie mehr damit beschäftigt haben, was ein Wort ist (außer: „das, was zwischen Leerzeichen steht“), kommt diese Frage dann natürlich auf, wenn die Schreibung, und damit scheinbar auch der Wortstatus einer Einheit, geändert wird, was zu großer Verunsicherung führen kann.

  2. Lietuvis sagt:

    Gestern hatte ich im meinem Polnischlehrbuch gelesen: „Der Stammauslaut ist der Buchstabe vor der Flexionsendung“ und „Endungen sind die Buchstaben, die bei der Flexion an den Stamm gehängt werden“.
    Hatte schon überlegt, an den Verlag zu schreiben, aber dann bekommt man als Antwort wahrscheinlich nur wieder: „unsere Produkte richten sich vornehmlich an Laien, deshalb richten wir uns nach dem alltäglichen Sprachgebrauch.“
    Besonders im Polnischen mit seinen ganzen Digraphen ist die Definition als „der Buchstabe“ ja besonders schräg.

  3. reinholdotto sagt:

    Netter Kommentar vom Grammatologen Peter T. Daniels („The World’s Writing Systems“): „I am more concerned about people who say „grapheme“ instead of „letter“.

  4. […] Kopf erklärt im [ʃplɔk], warum man als Linguistikstudent/in energisch zurechtgewiesen wird, wenn man in der falschen […]

  5. gschleiderkneis sagt:

    Kürzlich fragte mich mein Sohn (5. Klasse), ob das Y ein Vokal oder ein Konsonant sei. Meine Antwort: Das Y ist ein Buchstabe. Buchstaben sind weder Vokale noch Konsonanten. Aber der Lautwert des Y ist meistens entweder ü oder i. Und das sind Vokale.

    Damit hat er dann einen dicken Minuspunkt gesammelt, als er der Lehrerin erklärte, das Y sei ein Vokal und diese ex cathedra verkündete, es handele sich im Gegenteil um einen Konsonanten.

    • Kristin sagt:

      Skurrile Geschichte, aber leider sehr plausibel. Y taucht ja generell nur in Fremdwörtern auf, und da verhält es sich dann meist wie im System der Gebersprache – bei Yoga ein Konsonant, bei hybrid ein Vokal etc.
      Würde mich mal interessieren, ob die Lehrerin sich das selbst zurechtgelegt hat, oder ob das wirklich irgendwo so behauptet wird.

      • reinholdotto sagt:

        Auf welchem Wege ist denn „Yoga“ ins Deutsche gelangt? Vermutlich über das Englische; denn das „System der Gebersprache“ Sanskrit beinhaltet ja keine lateinischen Buchstaben wie das Y.

      • gschleiderkneis sagt:

        Schade, habe Ihre Antwort erst jetzt gelesen.
        Würden Sie sagen, dass die Erklärung, die ich meinem Sohn gegeben habe, stimmt? Ich kann keinen Fehler darin finden.

        Zur Frage, ob die Lehrerin sich das zurechtgelegt hat: Ich erinnere mich noch an meine Grundschulzeit. Da hieß es auch, a, e, i, o, u seien Vokale, alles andere Konsonanten. Die Umlaute wurden nicht thematisiert.

        Ein Bekannter, der auch Grundschullehrer ist, hat, als ich ihn darauf ansprache, auch ex cathedra verkündet, Y sei nunmal ein Konsonant und fertig. Auf eine Diskussion über Laute und Buchstaben ließ er sich nicht ein.

        • Kristin sagt:

          Ja, die Erklärung ist absolut korrekt und wird z.B. auch hier ähnlich gegeben. Ich habe mal ein wenig gegooglet, aber keine Hinweise darauf gefunden, dass in Materialien für GrundschullehrerInnen etwas anderes behauptet wird. Rätselhaft.

  6. „under the spell of spelling“ — davon scheinen aber selbst Phonetiker (!) nicht ganz frei zu sein. Mir fällt gerade auf, dass bei Auflistungen des deutschen Vokalinventars selten [ɐ] dabei ist, etwa bei Tabellen für die Frequenzen von F1 und F2. Dabei ist im Deutschen nun wahrhaftig ein eher wichtiger Vokal.

    • Kristin sagt:

      Hmja, da stellt sich halt, ähnlich wie bei Schwa und Glottisverschlusslaut, die Frage, ob es sich wirklich um ein Phonem des Deutschen handelt, oder nicht vielmehr um ein Allophon. Vgl. z.B. hier, detaillierter bei T. Alan Hall Phonologie, S. 71.

      • Natürlich sind die Phone [ɐ], [ʁ] und [χ] Allophone des Phonems /r/. Wie die Phonologen Vokale klassifizieren, weiß ich nicht; ich lese mich gerade erst allmählich in Phonologie ein und versteh‘ offengestanden noch nicht recht, was die Phonologen umtreibt. Aber *phonetisch* ist [ɐ] aufgrund seiner akustischen und artikulatorischen Eigenschaften als Vokal klassifiziert; und in einem phonetischen Kontext, wenn es darum geht die akustischen Eigenschaften von Lauten aufzulisten, damit sie im Spektrogramm bestimmt werden können, dann müsste [ɐ] bei den Vokalen dabei sein.

        (Aber danke für den Link!)