Herrliche Etymologie, dämliche Aufgabe

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9 Responses to Herrliche Etymologie, dämliche Aufgabe

  1. Recht hast du, allein das Beispiel der „Domina“ illustriert es doch treffend, wie Frauenbezeichnungen durch den Sprachwandel leiden – und das, obwohl die Domina heute wahrscheinlich mehr zu sagen hat, als im alten Rom …

  2. Jan sagt:

    Aber Achtung: Der Bedeutungsverschlechterung bei Frauenbezeichnungen liegt keine Frauenfeindlichkeit zu Grunde – im Gegenteil: Der Antrieb ist Höflichkeit. Weil die es gebietet, dass immer die außergewöhnliche Bezeichnung gewählt wird, die extra höfliche, eine Nummer höher im Status, wird die Standardbezeichnung schnell als abwertend empfunden. Aus Weib „verheiratete Frau“ wird dadurch Frau (eigentlich: „Adelige“). Statt dem gängigen Frau neigt man jetzt eher dazu, Dame zu sagen, etc.

    Rudi Keller nennt das in „Sprachwandel“, glaub ich „Höflichkeitsspiel“, wenn ich mich recht entsinne.

    Wahrscheinlich nehm ich jetzt vorweg, was du „ein andermal dann“ sagen wolltest, tut mir Leid, aber ich konnte mich nicht zurückhalten. ;-)

    • Kristin sagt:

      Oh, Leute die ihr Wissen nicht zurückhalten können, sind mir sympathisch ;)
      Das Galanteriegebot Kellers ist aber nicht die einzige mögliche Erklärung für das Phänomen, und sie ist meines Wissens auch nicht unumstritten. Ich zitiere:

      Dass Frauen auf diese Weise von ‚adlig‘ oder ’sozial hochstehend‘ zu ’normal‘ abgestuft werden […], mag nachvollziehbar sein – sowohl die Anrede Frau als auch Herr haben diese Abstufung mitgemacht. Weniger nachvollziehbar ist jedoch, dass die Pejorisierung in Richtung ‚Prostituierte, liederlich, sexuell verfügbar‘ verlaufen. Sexualisierungen legen vielmehr die Sicht von Männern auf potentielle Geschlechtspartnerinnen offen. Weiter wissen wir mit Blick auf historische Texte, dass auch Verwandte, z.B. die Eltern, sehr höflich angesprochen wurden, die Verwandtschaftsbezeichnungen wie Mutter, Schwester etc. aber seit Jahrtausenden semantisch stabil sind – möglicherweise, weil weibliche Verwandte nicht als Geschlechtspartnerinnen in Frage kommen. Schließlich hat die kontrastive Genderforschung längst erwiesen, dass solche Pejorisierungen (meist in Form von Sexualisierungen) weiblicher Personenbezeichnungen auch in Kulturen fern jeglichen Galanteriegebots vorkommen.

      (Quelle)
      Mit Sexualisierung ist z.B. der Wandel von ahd. diorna ‚junge Frau‘ zu mhd. dierne ‚Dienstmagd‘ zu nhd. Dirne ‚Prostituierte‘ gemeint. (Genauere Beschreibung des Wortfeldwandels hier.)

      • Jan sagt:

        Hmmm, das ist wohl nicht von der Hand zu weisen.

        Ein Galanteriegebot (ich lerne dazu ;-)) deutet offenbar gleichzeitig auf eine subtile Ungleichbehandlung hin. Mich erinnert das irgendwie an die political correctness bei der Bezeichnung von Schwarz…Farb…Afro-Amerikanern. Da scheint mir auch im Hintergrund ein latentes negatives Image zu stecken, das man um jeden Preis vermeiden will.

  3. Thraker sagt:

    Wie? Geht das denn jetzt nicht weiter hinab in die Tiefe? Ist es denn von vornherein ausgeschlossen, daß das niederdeutsche Wort Dämeln so rein gar nichts mit dem Wort Dame zu tun hat? Ich meine dessen Semantik ‚sich kindisch benehmen, verwirrt sein‘ schließt es doch nicht schlankweg aus, oder?

    • Kristin sagt:

      Sieht nicht so aus:

      dämeln
      (dammeln u.ä. Literarisch kaum bezeugt, aber regional häufig) schwaches Verb „sich kindisch benehmen, verwirrt sein“, peripherer Wortschatz, niederdeutsch, mitteldeutsch (18. Jh.). Semantisch ähnlich zu beurteilen wie taumeln, formal eher zu dämmern (Dämmer), also vielleicht Übertragung des Halblichts auf beschränkte geistige Leistungen. Grundlage von Bildungen wie dämlich. Der Zusammenhang zwischen diesen familiären Wörtern läßt sich im einzelnen nicht mehr rekonstruieren.

      Und den semantischen Seitenhieb ignoriere ich lieber ;)

      • Thraker sagt:

        Das ist doch mal ein Fundstück, das dämlich nicht in Zusammenhang zu Dame, sondern zur Dämmerung bringt, und mich insofern überzeugt. Danke

  4. Monika sagt:

    Mensch, das find ich interessant!
    Danke, Kristin für die Aufklärung.

    Auch wenn ich mich für Etymologie und alles sowas sehr interessiere, bin ich doch Laie und schmöker nur aus Spaß in solchen Büchern, auch wenn ich einige über Etymologie und vergleichende Sprachforschung habe.

    Das mit dem Galanteriegebot (ein schönes Wort!) hatte ich mir schon früher als Jugendliche selber herausgedröselt:

    Dass man etwas als etwas Besseres bezeichnet, bis dieser bessere Ausdruck durch die ständige Verwendung zum Begriff des Anderen heruntergerutscht war, woraufhin wieder ein anderer höherer Begriff nötig wurde… etc.

    So hätte ichs damals ausgedrückt und das mit Dame und dämlich ist ja für viele mit dem Patriarchat erklärt…

    ich freue mich jedenfalls, dass Dame und dämlich nicht in dieser Art direkt verwandt sind :D

    Liebe Grüße,
    Monika

  5. Christopher sagt:

    Eigentlich bin ich ja kein Sprachwissenschaftler und finde es dementsprechend vor allem schön (genau: Literaturwissenschaftler), dass eine gar nicht dämliche Dame es mit zwei nicht wirklich herrlichen Herren aufnimmt und sich dabei beide Parteien klugerweise im Kluge klug machen! So muss Wirklichkeit beschaffen sein!!