Blogspektrogramm (16)

Mit leichter Verspätung, aber noch pünktlich zum Wochenende, das man ja bekanntermaßen lesend vorm Rechner verbringen sollte, kommt heute das Blogspektrogramm Nr. 16 mit den besten sprachwissenschaftlichen Blogeinträgen aus dem Juli (und einem revolutionären Vorschlag zur Sprachreform am Ende).

Michael Mann vom Lexikographieblog versetzt uns mit dem kleinen wörterbuch des em-vokabulars (endrunde) in längst vergangene Zeiten. Vom Stil her an das großartige Bild-Wörterbuch erinnernd (mein Tipp), ist hier eine unterhaltsame Wörtersammlung aus der Medienberichterstattung zur EM zu finden.

Außerdem übernimmt Michael die Patenschaft für The Oldest Profession aus dem Lingua-Franca-Blog (Englisch). Hier wird die Behauptung aufgestellt, die Lexikographie sei der älteste Beruf der Welt. Ich würde den Text allerdings nur Leuten mit gefestigtem Linguistikhintergrund empfehlen.

Anatol Stefanowitsch (oder Stefan Anatolowitsch?) vom Sprachlog empfiehlt Stille Post verschlechtert die Grammatik. Darin geht er der Pressemeldung, dass SMS-Sprache die Grammatik Jugendlicher verschlechtere nach und zeigt, was letztlich dahintersteckt – nämlich, erwartbar, nichts. (Wer sich für die wissenschaftliche Erforschung von SMS interessiert, schaue sich einmal – mein Tipp – das Projekt sms4science an.)

Außerdem übernimmt Anatol mal wieder die Patenschaft für eine Glosse von Luise Pusch, Die Olympiade, MicroSoft und gerechte Sprache, in der es, lose verbunden, über ebendiese Themen geht. Schon alleine für den zitierten Ausschnitt aus dem Spiegel lohnt es sich – abartig.

Unser jüngstes Mitglied, das SprAACHENblog, hat sich mit einem verwandten Thema auseinandergesetzt: In Geschlechtergerechte Sprache wird eine Leserfrage beantwortet, die nach der „korrekten“ Möglichkeit fragt, ohne Beidnennung (Bürgerinnen und Bürger) geschlechtergerecht zu schreiben. Die gefundene Antwort passt zwar für die konkrete Situation, lässt mich aber letztlich doch etwas unzufrieden zurück – etwas anderes hätte mich bei dem Thema aber auch gewundert, es gibt einfach keine perfekte Lösung.

Jetzt wechseln wir von Sexus zu Genus: Suz von */ˈdɪːkæf/ hat im Juli den Beitrag Das weibliche Airbus geschrieben, in dem es darum geht, wer nun unter welchen Bedingungen der oder die A380 sagt. In bester Suz-Manier hat sie dazu eine kleine Korpusrecherche durchgeführt und kommt zu schönen Ergebnissen, die der offiziellen Firmenmeinung widersprechen.

Stephan Bopp von Fragen Sie Dr. Bopp nominiert trotz Sonne Das Regenschirmsyndrom, wo es primär um die Herstellung falscher Kausalitäten (es schließt sich der Kreis zu Anatols Text) geht.

Ich selbst habe mich in Der vollkommene Englische Weg=Weiser für die Deutschen mit einem Englischlehrbuch vom Anfang des 18. Jahrhunderts auseinandergesetzt und darin Spuren älterer Sprachzustände gesucht.

Außerdem übernehme ich die Patenschaft für einen Text von Kilian Evang vom Texttheater, der den etwas kurzfristig erfolgten Spektrogrammaufruf vielleicht noch gar nicht gelesen hat. In Verben steigern macht er einen wundervollen Vorschlag zur Steigerung von, genau, Verben, und steht damit dem oben verlinkten Futur III in keinster Weise nach.

Das erinnert mich übrigens an meine großartige Idee des graduellen Plurals, hab ich davon mal erzählt? Mehrzahl wird dabei durch zunehmende Lautstärke vermittelt. Schriftsprachlich muss man sich dann leider mit anderen Mitteln behelfen, vielleicht mit <blog> (eines), <Blog> (eine geringe Menge), <BLOG> (eine große Menge), also nur Singular, Paukal und Plural. In der gesprochenen Sprache wären natürlich endlos viele Abstufungen möglich. Da Numerus ein Kongruenzphänomen ist, würde er auch an den kongruierenden Wörtern gekennzeichnet. Ob die herkömmliche Numerusflexion dann ganz abgeschafft werden soll, oder nur zum funktionslosen Junk würde, der in einigen Jahrhunderten für Exaptationen zur Verfügung steht, habe ich noch nicht entschieden.

Dass diese Form der Pluralbildung quasi angeboren ist, sieht man übrigens an der enormen Lautstärke, mit der kleine Kinder ihren Wunsch nach großen (!) Mengen Süßigkeiten kundtun. Ich denke, unser Leben könnte dadurch sehr bereichert werden, ganz zu schweigen von der Hustenbonbonindustrie.

So, das war’s für diese Ausgabe, viel Spaß beim Lesen!

Frühere Blogspektrogramme findet Ihr hier, die nächste Nummer kommt Mitte September.

6 Responses to Blogspektrogramm (16)

  1. […] sechzehnte Blogspektrogramm wird von Kristin im [ʃplɔk] […]

  2. […] Thema “Sprache” Interessantes zu lesen. Eine Auswahl der Beiträge hat Kristin für die 16. Ausgabe des Blogspektrogramms kommentiert und auf ihrem Sprachblog [ʃplɔk] zusammengetragen. Viel Spaß beim […]

  3. […] einmal hat [ʃplɔk] die Aufgabe auf sich genommen, das Blogspektrogramms zu […]

  4. suz sagt:

    Beim Begriff Paukal für diesen Plural hätten wir auch gleich einen angemessen Hauch Onomatopoesie.

    Und schriftsprachlich ist das SCHREIEN dankenswerterweise bereits etabliert.

    (P.S.: der A380. :) )

    • Kristin sagt:

      Ist korrigiert, danke!
      Schreien ist etabliert, ja, aber halt die Lautstärke nicht. Vielleicht könnte man auch sowas wie Haus.80dB schrei(b)en?

  5. […] englische Aussprache erklärte: anschaulich erklärt. Und Verben: gesteigert! Ein pralles Blogspektrogramm #16 also bei Kristin im Schplock. Das Texttheater wünscht viel Freude beim […]