Wie man unnötig lange Vulkannamen zurechtstutzen kann …

Schon seit Beginn des Aschewolkendramas schreibt FAZ.net (nicht als einzige) ziemlich konsequent vom Eyjafjalla. Eine Miniauswahl:

Zu Beginn des ganzen Dramas schrieb man zuweilen noch vom Eyjafjalla-Gletscher und dem Ausbruch des isländischen Vulkans am Eyjafalla-Gletscher, aber auch schon vom Eyjafjalla-Vulkan.

Gletscher = Berg = Vulkan?

Ich habe hin- und hergerätselt warum, denn wirklich Sinn ergibt das für mich nicht. Ich erinnere: Eyjafjallajökull heißt ‚Insel(n)bergegletscher‘. Der Gletscher heißt so und der Vulkan unter dem Gletscher heißt auch so, sagt die deutsche Wikipedia.

Wenn man den ‚Gletscher‘ weglässt, wie die FAZ das tut, erhält man also nicht den „echten“ Namen des Vulkans.

Die Hartnäckigkeit der FAZ hat mich dann aber doch verunsichert, und so zog ich aus zu klären, ob das Wort auch wirklich den gesamten Berg inklusive Vulkan bezeichnet. Meine Quelle: die isländische Wikipedia. Wenn die’s nicht weiß, wer dann? Ich zitiere …

Eyjafjallajökull (ˈɛɪjaˌfjatlaˌjœkʏtl) er fimmti stærsti jökull Íslands.

‚Der E. ist der fünftgrößte Gletscher Islands.

Undir jöklinum er eldkeila sem hefur gosið fjórum sinnum síðan land byggðist, fyrst árið 920, þá 1612, 1821 og 2010.

‚Unter dem Gletscher befindet sich ein Schichtvulkan, der seit der Besiedlung des Landes viermal ausgebrochen ist,  zuerst im Jahr 920, dann 1612, 1821 und 2010.‘ (Es wird kein Namen des Vulkans genannt.)

Eyjafjallajökull er einn af hæstu tindum Íslands, um 1.666 m hár.

‚Der E. ist einer der höchsten Gipfel Islands, ca. 1.666 m hoch.‘

Also schonmal klar: Gletscher und Berg sind namensgleich. Was ist nun mit dem Vulkan im Berg? Ich habe hier geschaut:

Eldgosið í Eyjafjallajökli 2010 var eldgos í Eyjafjallajökli, sem hófst snemma að morgni 14. apríl 2010.

‚Der Vulkanausbruch am Eyjafjallakökull 2010 war ein Ausbruch am Eyjafjallakökull, der früh am Morgen des 14. April 2010 begann.‘ (í Eyjafjallajökli ist Dativ, hier wird also – nach meinen begrenzten Sprachkenntnissen – nicht geschrieben, dass der Gletscher selbst ausgebrochen sei, sondern dass der Ausbruch am Gletscher stattgefunden habe.)

Gosið er í toppgíg Eyjafjallajökuls og bræðir ísinn sem er við gíginn.

‚Der Ausbruch war am Gipfelkrater des Eyjafjallajökull und schmolz das Eis, das auf dem Krater lag.‘

So, das letzte Zitat ist für mich der Beweis: Der Eyjafjallajökull hat einen Krater und ist damit neben Gletscher und Berg auch eindeutig Vulkan.

Eyjafalla = Inselberge (Genitiv)

Die Kürzung Eyjafjalla hat aber auch ganz abgesehen davon, dass es keine korrespondierende geografische Entität gibt, noch ein weiteres Problem: Wenn man das Letztglied weglässt, erhält man keine normale isländische Wortform: fjalla ist der Genitiv Plural.

Die Nominativ-Singular-Form wäre fjall, und auch wenn es keinen Eyjafjall gibt, so gibt es doch andere Berge, die es im Isländischen im Namen tragen: Den Hvítfjall wörtl. ‚Weißberg‘ (Mont Blanc), den Ingólfsfjall (tatsächlich ein Vulkan), den Ólympusfjall ‚Olymp‘ und sogar den Rushmore-fjall.

Der Ejyafjallajökull ist übrigens nicht alleine mit seiner Doppelexistenz als Gletscher und Vulkan: Es gibt da z.B. noch den Snæfellsjökull ‚Schneefelsgletscher‘ und den Torfajökull.

Wie es bei der FAZ zum Eyjafjall-Unfall kam, habe ich jetzt natürlich nicht geklärt. Vielleicht zu viel Bildung und Logik? jökull heißt ‚Gletscher‘ und kann damit nicht der Name eines Vulkans sein?

So, zuletzt noch ein Disclaimer: Alle Recherchen wurden mit minimalen Isländischkenntnissen betrieben. Oder, ähm, genauer, Altisländischkenntnissen. Aber es gibt ja Wörterbücher und Deklinationstabellen.

5 Responses to Wie man unnötig lange Vulkannamen zurechtstutzen kann …

  1. JJFlash sagt:

    Ich hab gerade zufällig ne halbe Stunde nach dem ich deinen Beitrag gelesen habe nen Talk von nem Isländer zum Vulkanausbruch auf ner Tagung gehört.
    Der Vulkan war auf einer englischen Folie „Eyjafjoll volcano“ bzw später auf ner isländisch beschrifteten Abbildung nur „Eyjafjöll“ bezeichnet und er hat explizit gesagt, „Eyjafjallajökull“ (ich hoffe ich habs richtig geschrieben..) sei nur der Gletscher.

    Ich hab nun gar keine Ahnung vom Isländischen, insofern hab ich keine Idee, was das „ö“ (ich nehm an, „o“ is der englischen Sprache geschuldet) da zu suchen hat.

    • Kristin sagt:

      Hi JJ, hmhmhm … also Eyjafjöll gibt’s wirklich, wobei fjöll der Nominativ Plural von fjall, also Berg, ist. Soweit ich das verstehe, bezeichnet der Begriff eine ganze Bergkette (‚Inselberge‘), aber vielleicht ist es ja auch möglich, vom Ausbruch der Bergkette zu sprechen. (?)

      Leider reichen für diesen Wikipediaeintrag meine Übersetzungsfähigkeiten nun wirklich nicht mehr:

      Eyjafjöll eru fjallgarður á Suðurlandi sem liggur vestur úr Mýrdalsjökli. Efst í Eyjafjöllum er jökulhetta, Eyjafjallajökull, en fjöllin draga nafn sitt af því að þau standa gegnt Vestmannaeyjum. Fjallgarðurinn nær frá Markarfljóti í vestri að Jökulsá á Sólheimasandi í austri. Fjöllin eru flest móbergsfjöll.

      Í Eyjafjöllum eru meðal annars Seljalandsfoss og Skógafoss en einnig margir minni. Í fjöllunum eru einnig margir hellar s.s. Paradísarhellir.

      ‚Eyjafjöll (Inselberge) ist eine Bergkette in Suðurland, die westlich vom Mýrdalsjökull [das ist der Gletscher über dem Katla, K.] liegt. …‘

      Wer weiß weiter? Besonders der nächste Satz würde mich interessieren.

      Was das ö da zu suchen hat, kann ich Dir allerdings sagen. Die isländischen Deklinationsklassen lassen die Herzen aller Morphologiebegeisterten schneller schlagen.
      fjall gehört einer Deklinationsklasse an, die auf die germanischen neutralen a-Stämme zurückgeht.
      Das Wort besitzt heute die folgenden Endungen:
      Singular: Nom & Akk keine Endung, Gen –s und Dativ –i
      Plural: Nom & Akk keine Endung, Gen –a und Dativ –um
      Im Urnordischen hatten aber alle Formen Endungen, auch die heute endungslosen. Und sowohl Nominativ als auch Akkusativ Plural hatten da ein –u.
      Dieses u ist an allem schuld. Es löste nämlich den sogenannten u-Umlaut aus, bei dem u.a. ein kurzes, betontes a zu ö umgelautet wurde, wenn in der Folgesilbe ein u oder v stand, wie hier also im Nominativ, Akkusativ und Dativ.
      Später gingen die Auslöser verloren, aber die Umlaute blieben.
      Während in anderen germanischen Sprachen solche „Unregelmäßigkeiten“ entfernt wurden, hat das Isländische sie bewahrt.
      (Die Formen lauten also:
      Sg: fjall, fjalls, fjalli, fjall (N,G,D,A)
      Pl: fjöll, fjalla, fjöllum, fjöll (N,G,D,A)

  2. suz sagt:

    Ich kann dir mit der Übersetzung nicht helfen. Ich meine mich aber zu erinnern, dass eine Freundin (die mal Isländisch gelernt hat) mir sagte, dass der Vulkan selber gar keinen Namen hat. Wie JJFlash schon sagte, der Name bezieht sich offenbar nur auf den Gletscher.

    Muss denn ‚einen Krater haben‘ automatisch bedeuten, dass es auch ein Vulkan ist? Der Krater kann ja im Eis auch durch die früheren Eruptionen entstanden sein.

    Aber so oder so finde ich es schon seltsam, dass einige Journalisten „einfach“ was abkürzen. Hm. Und es handelt sich ja immerhin um die schreibende Zunft, also das Argument ‚lässt sich besser aussprechen‘ wäre wenig überzeugend.

  3. Achim sagt:

    en fjöllin draga nafn sitt af því að þau standa gegnt Vestmannaeyjum.

    „… und die Berge ziehen ihren Namen davon, dass sie stehen gegenüber den Westmännerinseln (D.Pl.).“

    Also: Die Bergkette heißt „Inselberge“, weil sie an der Küste ggü. den Westmännerinseln liegt. Der Gletscher heißt, wie er heißt, weil er auf dieser Bergkette liegt. Der Vulkan hat keinen eigenen Namen, weil er ja meistens unsichtbar ist. (Der letzte Satz ist meine Interpretation, aber deckt sich mit suz…)

    Und dieser Name ist vielen ausländischen Medien offenbar zu lang. (Abgesehen von der schwierigen Aussprache, präaspirierte laterale Frikative und so.)

    So, zuletzt noch ein Disclaimer: Alle Recherchen wurden mit minimalen Isländischkenntnissen betrieben. Oder, ähm, genauer, Altisländischkenntnissen.

    Same here… nur ohne WB in Reichweite, und dass es über 20 Jahre her ist :-)

  4. […] Vulkannamensfrage hab ich auf dem Blog von Kristin eine interessante Annäherung an das Thema gefunden. Takk fyrir! Reisen […]